Oft wird man aus Erfahrungen klug. So auch auf dem Betrieb der Familie Höfer, wo man bei der Umstellung vom Anbinde- zum Laufstall manchen ursprünglichen Plan über den Haufen warf. An der Weide hielt man jedoch trotz Melkroboter fest.
Seine Einstellung war klar und daran sollte sich zunächst auch nichts ändern. Balthasar Höfer aus dem Landkreis Rosenheim war kein Freund des Melkroboters und hatte beim Bau seines neuen Milchviehlaufstalls und der neuen Liegehalle zunächst zu 100 % auf einen Melkstand im alten Stall gesetzt. „Der Bau war schon voll in Gange. Mein Ziel war es, möglichst günstig zu melken und bei den schwierigen örtlichen Gegebenheiten kein unnötiges finanzielles Risiko einzugehen“, wie er rückblickend sagt und ergänzt: „Außerdem wollte ich unserem Junior keinen Schuldenberg übergeben.“
Das war die Lage im Herbst 2015. Dann kam der Winter und der war schneereich und kalt. „Wir haben gesehen, dass das zweimal tägliche Umtreiben unserer Kühe von der Fress-Liege-Halle zum Melkstand und zurück eine wahre Katastrophe geworden wäre“, gesteht Balthasar Höfer ein. Seine Frau Christa und Sohn Balthasar Junior hätten insgeheim ohnehin immer noch von einem Melkroboter im neuen Stall geträumt.
Im Januar 2016 war schließlich Baustopp. „Ich dachte immer, ein Roboter, der die Viecher melkt, dass kann es doch nicht sein. Da verliert man ja jeden Bezug zu den Tieren. Doch ein Roboterseminar hat mir damals die Bedenken genommen“, erzählt Höfer. Auch der Bauberater habe die Familie vom Unterulpointhof schließlich ermutigen können, in ein automatisches Melksystem zu investieren. „Und als wir auf einem nahegelgenen Betrieb schließlich das passende Gerät für uns besichtigten, war die Entscheidung gefallen“, berichtet der 64-jährige Betriebsleiter und lacht.
Der Bauplaner musste folglich im laufenden Bau nochmal umplanen und einen Anbau für die Melktechnik sowie Wirtschafts- und Energieräume einplanen. Auch die Finanzierung wurde angepasst. „Heute bin ich froh, dass wir diesen Schritt gewagt haben und damit auch der häusliche Friede gewahrt wurde“, meint der Milchviehhalter, der seinen Betrieb bereits vor zehn Jahren auf Bio umstellte und die Milch an die Molkerei Berchtesgadener Land liefert.
„Meinungen können sich eben ändern und bei so einem wegweisenden Entwicklungsschritt ist es nur legitim, dass man die Dinge hin und her überlegt und Pläne gegebenenfalls umschmeißt, wenn am Ende etwas Stimmiges dabei herauskommt. Schließlich sollen die Jungen im Regelfall über eine Generation damit arbeiten können.
Dass sich selbst sogenannte „Lehrmeinungen“, wie sie zum Beispiel in den Landwirtschaftsschulen vermittelt werden, auch immer wieder ändern können und sehr stark an Persönlichkeiten gebunden sind, sei sicher auch nicht von der Hand zu weisen. Höfer berichtet dazu ein Beispiel aus seiner Ausbildungszeit: „Als ich Anfang der 1980er-Jahre frisch aus der Winterschule kam, hatten wir gelernt, dass sich ein Laufstallbau erst für Betriebe ab 50 Kühe rentiert, sogenannte „Kleinhäusler“ sollten weiterhin in Anbindehaltung wirtschaften. Ich habe dann unseren alten Anbindestall mit viel Aufwand modernisiert, von der neuen Holzdecke über die Aufstallung mit Halsrahmen und verlängertem Kurzstand bis hin zur Mistgasse“, erzählt Balthasar Höfer, der rund 35 Jahre mit seiner Familie in diesem Anbindestall gemolken und gearbeitet hat.
„Aus arbeitswirtschaftlicher Sicht weiß ich heute, dass es sich durchaus für die 30-Kuh-Betriebe damals schon gelohnt hätte mit einem Laufstall in die Zukunft zu denken – gerade wenn man den Betrieb im Nebenerwerb führt und noch zum Geld verdienen in die Arbeit geht. Doch da waren wir zumindest in unserer Region schlichtweg noch nicht so weit“, meint er.
Sein 19-jähriger Sohn Balthasar Junior, der selbst gerade die landwirtschaftliche Ausbildung macht, freut sich auf alle Fälle über den neuen Laufstall und dessen Vorteile für Mensch und Tier. 39 Liegeplätze, Hochboxen mit Gummimatte, und zehn Liegeplätze im Außenbereich stehen den derzeit 36 Fleckviehdamen der Höfers zur Verfügung. Der 30 m lange und 18,5 m breite Stall bietet großzügigen Platz, sodass sich die Tiere auch ungestört ausweichen können.
„Im Zuge der Rangordnung hat immer eine Kuh das Nachsehen, aber die kann selbst aus den Liegeboxen vorne über den Kopfkasten entweichen, wenn sie von einer Ranghöheren in die Enge getrieben wird“, schildert Balthasar Junior, der auch züchterisch sehr interessiert ist. „Wir enthornen eigentlich bis heute unsere Kälber nicht. Alle hornlosen Tiere bei uns im Stall sind aufgrund der eingesetzten Genetik natürlich hornlos. Derzeit sind es zwei Drittel der Herde“, betont er.
Die Laufflächen werden von einem Spaltenroboter automatisch gereinigt. Dieser besprüht die Laufflächen sogar mit Wasser, was für ein noch besseres Reinigungsergebnis sorgt, wie Höfers überzeugt sind. Im Melkroboter dürfen die Kühe alle acht Stunden zum Melken. Auch die Kombination von Weide und automatisches Melksystem hat sich bewährt, „denn das Schöne ist, wir laufen nicht am Limit und selbst wenn der Roboter mal ein paar Stunden ruht, dann haben wir noch keinen Stress, weil die Auslastung nicht stimmt“, sagt Betriebsleiter Balthasar Höfer. Auf 2,3 Melkungen pro Tier und Tag kommen seine Kühe, die täglich bis zur Mittagszeit vier bis fünf Stunden Weidegang haben. Mit den Wiesen um den Hof hat man sich schon früh mit dem System der Kurzrasenweide beschäftigt, da es für Höfers deutliche Vorteile bringt.
„Wir sehen den Betrieb als Ganzes, mit seinen vielfältigen Standbeinen, wie Obstbau, Schnapsbrennerei, Safterei, Fremdenverkehr und Waldwirtschaft. Da darf man sich nie von einem Betriebszweig vollkommen abhängig machen, schon gar nicht zum Sklaven der Technik werden“, mahnt Höfer. Und es freut ihn, wie entspannt auch seine Biokühe die Umstellung genommen haben, mit entsprechender Eingewöhungsphase von rund vier Wochen, wie er sagt.
Für den Ernstfall eines Stromausfalls steht ein Notstromaggregat bereit. Zudem ist man am Betrieb der Familie Höfer mehr oder weniger energieautark, denn man betreibt gemeinsam mit dem Nachbarn ein eigenes Wasserkraftwerk.
„Der Gedanke der Energieeffizienz spielt bei uns schon länger eine Rolle, erhält momentan jedoch eine besondere Brisanz“, erzählt Balthasar Höfer und erklärt: Als energetischer Selbstversorger versuche man, krasse Energiespitzen zu vermeiden. Bei einer Einspeisungsvergütung von derzeit 9 ct und einem Preis für Zukaufsstrom für 30 ct/kWh leicht nachvollziehbar. Die Milch wird daher mit einer Eiswasserkühlung gekühlt und der Roboter wird einer Kochwasserreinigung gesäubert. Die Milchkammer und der „Energieraum“ sind im Souterrain des neuen Stallgebäudes untergebracht. Aufgrund der Hanglage musste das Gelände mit etwa 1000 m³ Erdreich ausgeglichen werden. Vorher wurde noch ein Güllekeller mit 600 m³ ausgehoben.
Es brauchte also eine Menge innovativen Geist, bis schließlich ein Gesamtkonzept realisiert werden konnte, das nicht nur in die Landschaft, sondern auch zu Mensch und Tier passt und bei dem so manche anfängliche Skepsis überwunden werden musste. Nach fünf Jahren in Betrieb sind sich Höfers heute allerdings einig: „Es läuft“ und Christa und ihr Sohn Balthasar Junior sind froh, dass Vater Balthasar in letzter Minute vom „Robotergegner zum Roboterfreund“ geworden ist.
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